LiMux – Ende eines Vorzeigeprojekts

Im Mai 2014 wechselte die Führungsspitze der Stadt. Der neue Oberbürgermeister Dieter Reiter gilt als Microsoft-Fan und war bereits in seiner vorherigen Stellung als Wirtschaftsreferent in den Umzug von Microsofts Deutschland-Zentrale vom Münchner Stadtrand in Unterschleißheim in die Innenstadt in den Bezirk Schwabing involviert. Als Bürgermeister ließ er keine Zeit verstreichen und gab im August 2014 eine Untersuchung zur IT-Infrastruktur der Stadtverwaltung in Auftrag. Er und sein Vize Josef Schmid (CSU) schlossen öffentlich eine Rückkehr zu Microsoft nicht aus.

Mundgerechtes Gutachten

Das Gutachten über den Zustand der Münchner Verwaltungs-IT sollte Klarheit schaffen. Beauftragt wurde das Unternehmen Accenture, ein Partner von – wen wunderts – Microsoft. Accenture betreibt zusammen mit Microsoft die Firma [wiki base=”EN”]Avanade[/wiki], die Microsoft-Produkte in Unternehmen und Verwaltungen etablieren will. Die Ergebnisse dieses Gutachtens sind in der Sitzungsvorlage Nr. 14-20 / V 07004 (PDF) zusammengefasst.

Neuland par excellence

Die Posse nahm ihren Lauf. Besonders Schmid legte mit seiner Kritik ein gerüttelt Maß an Unkenntnis an den Tag, wenn er etwa monierte, dass die Einrichtung seines Dienst-Smartphones zu lange dauere. Der Leiter des internen IT-Dienstleisters it@M, Karl-Heinz Schneider, erklärte dazu, man könne ja exponierten Personen wie dem Bürgermeister nicht ein Smartphone aus dem Laden aktivieren und aushändigen. Das Gerät müsse vorher in die bestehenden Infrastrukturen eingebracht und an Mail-Server angebunden werden. Zudem seien bestimmte Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, was alles in allem eine Woche dauere und mit LiMux nichts zu tun habe.

Darüber hinaus wurde moniert, der Kontakt mit anderen Behörden und Unternehmen werde durch LiMux erschwert. Dabei verschwieg Schmid, dass das Problem hauptsächlich dadurch entsteht, dass viele Stellen sich nicht um die bundesweite Anordnung scheren, Dokumente in offenen Formaten auszutauschen und stattdessen lieber proprietäre Formate verwenden.

LiMux ist immer schuld

Die Herangehensweise, LiMux für Missstände verantwortlich zu machen, deren Ursachen anderswo zu suchen sind zieht sich wie ein roter Faden durch die nächsten Jahre des anhaltenden Beschusses eines Vorzeigeprojekts. So erklärte denn auch der oberste IT-Dienstleister Schneider, ihm seien keine Beschwerden oder Störungen bekannt, die über das normale Maß in einer Verwaltung dieser Größenordnung hinausgehen würden. Auch ein 2014 von der c’t-Redaktion geführtes Interview mit dem Münchner IT-Beauftragten Robert Kotulek ließ erkennen, dass die tatsächlichen Probleme meist organisatorischer und nicht technischer Natur waren.

Unverständnis bei IT-Profis

Auch der ehemalige LiMux-Projektleiter Peter Hoffmann bemängelte die Kritik aus dem Rathaus als pauschal und plakativ. Er ergänzte, ein Unternehmen oder eine Behörde mit lauter zufriedenen IT-Anwendern sei weltweit nicht zu finden. Ein wirklicher Lacher war dann die Begründung des Antrags vom selbstständigen IT-Berater und Stadtrat Otto Seidl (CSU) und seiner Kollegin und Diplominformatikerin Sabine Pfeiler (CSU),  Windows-Lizenzen und Office-Pakete für die 2014 neu angeschafften Notebooks zu besorgen. Die Begründung war unter anderem, die Benutzerrechte unter LiMux seien so eingeschränkt, dass er nicht einmal Skype selbstständig installieren könne. Ohne Worte.

Trauriges Ende, politisch motiviert

So wurde LiMux zunehmend und konsequent schlachtreif geschossen. Das Ende kennen wir, es gibt die Kehrtwende zurück zu Microsoft. Die Kosten werden erst bekannt werden, wenn nichts mehr zu ändern ist. Meist ist es so, dass anfangs eine Summe im Raum steht, die dann oft um das mehrfache überschritten wird. Noch nicht einmal das traut sich München, die Zahlen bleiben einfach geheim. Wir dürfen gespannt sein auf die Einschätzung des Bunds der Steuerzahler in einigen Jahren. Das kürzlich veröffentlichte Statement zur Steuerverschwendung durch LiMux ist jedenfalls an fehlender Sachkenntnis kaum noch zu unterbieten.

Matthias Kirschner, Präsident der [wiki title=”Free_Software_Foundation_Europe”]FSFE[/wiki], hat in letzter Zeit einige Vorträge zu diesem Thema gehalten und dabei die Geschichte von LiMux anschaulich Revue passieren lassen. Einer dieser Vorträge wurde vor zwei Monaten auf der FrOSCon aufgezeichnet.

[embedyt] https://www.youtube.com/watch?v=U101Sn2VenI[/embedyt]

 

 

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