Erfahrungsbericht: Linux auf dem MS-Surface Pro 4 und Pro 7+

Ein Erfahrungsbericht von Peter L. Steger

Im Rahmen des Artikels „Wayland – reif für den Produktiveinsatz?“ habe ich im Oktober 2020 meine Herausforderungen beim Einsatz von Wayland in einem Produktivsystem hier im Blog vorgestellt.

Daran anknüpfend kann ich berichten, dass die damaligen Themen mit dem Update auf Plasma 5.21.3 vielfach erledigt waren – insbesondere die Abstürze. In der Kommunikation mit den KDE-Entwicklern Nate Graham und Méven Car bemerkte ich, dass meine 3-Screen Anordnung die Hardware meines Surface Pro 4 überforderte und konnte damit das Leistungsthema durch Verzicht auf den dritten Monitor lösen.

Problematisch ist nach wie vor Copy&Paste. So ist es beispielsweise nicht möglich, einen Screenshot mit Spectacle über die Zwischenablage in LibreOffice zu übergeben. Die Einrichtung einer Kontroll­leiste, in welcher man die oft benutzten Programme zugänglich machen will, ist unter Wayland eine echte Heraus­forderung – das Kontextmenü erscheint nie dort, wo man es braucht, was das Löschen fast unmöglich macht.

Auch die Verwaltung der Schriften gibt es noch immer nicht. Beim Wechsel von Wayland nach X11 wird regelmäßig mein externer 4k-Monitor zur primären Anzeige mit den Kontrollleisten, was lästig ist. Aus diesen Gründen bleibe ich weiterhin X11 treu.

Surface 4 und Linux soll drauf

Obwohl ich kein Freund von Microsoft bin (ich arbeite seit 1991 unter Linux und benutze Windows nur dort, wo es gar nicht anders geht), bin ich ein Fan von ihren Ergonomic Keyboards. Als die Surface-Linie herauskam, belächelte ich sie anfänglich – bis ich bei einem Arbeitskollegen das Surface-Pro 3 im täglichen Einsatz kennenlernen durfte. Die Hardware gefiel mir auf Anhieb – insbesondere das extrem portable Format und der ausgezeichnete Bildschirm mit Touch und Stift. Zwei Wochen später lag ein neues Surface Pro 4 vor mir auf dem Schreibtisch und es war klar, dass es unter Linux laufen wird müssen.

Vorbereitungen

Als erste Hürde stellte sich die Vorbereitung der eingebauten SSD mit dem Windows Betriebssystem heraus, welches ich aus beruflichen Gründen als Dual-Boot behalten musste. Bevor man loslegt, muss man unter Windows Hibernation, Windows Defender, BitLocker und die Speicher­aus­lagerung deaktivieren. Die Standard-Windows-Installation legt vier Partitionen auf der SSD an: das EFI-System, Microsoft Reserved, Microsoft Basic Data (C: aus dem man den freien Platz für Linux herausschneiden kann) und Windows Recovery Environmental.

Eine etwaige verschlüsselte Partition muss man auf der Konsole (Start ⇒ cmd) zuerst entschlüsseln: manage-bde -off C: und danach mit manage-bde -status prüfen – sonst kann Gparted damit nichts anfangen. Nun kann man mit der Datenträger­verwaltung von Windows das C: Laufwerk verkleinern und so Platz für Linux schaffen. Ich habe dann unter GParted die ganz hinten liegende Recovery-Partition nach vorne geschoben – was allerdings Geschmackssache ist.

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Installation starten

Nach diesen Vorbereitungen kann man mit der Linux-Installation beginnen, einen bootbaren USB-Stick erstellen, diesen in das ausgeschaltete Surface stecken, die Vol+ Taste gedrückt halten und die Power Taste betätigen. Die Vol+ Taste erst loslassen, wenn man im UEFI-Menü ist. Dort kann man Secure-Boot deaktivieren (oder auf Microsoft & 3rd Party umstellen) und das Booten vom USB-Stick aktivieren und dies ganz nach oben schieben. Ab hier läuft die Installation normal weiter – Partitionierung unbedingt über „manuell“ vornehmen, dann kann man die EFI-Partition korrekt zuordnen und die Windows-Partition (zwecks Datenaustausch) einbinden.

2017 gab es für das Surface auf GitHub einen Thread von jakeday mit speziell angepassten Kerneln und Bibliotheken. Heute benutze ich einen anderen mit der Bezeichnung linux-surface, der aktuell ist und ein ausführliches Wiki anbietet. Hier findet sich auch eine Kompatibilitäts- und Feature-Liste, die Euch Auskunft gibt, was auf welchem Modell funktioniert und was nicht. Um es kurz zu machen: die Kameras funktionieren so gut wie nirgends.

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Leider sackte die Unterstützung für Muli-Touch und den Pen nach dem Kernel 5.4 (LTS 4.19) ab. Soweit ich weiß, liegt das in dem Wegfall der originalen IPTS-Treiber. Ihr Ersatz (surface-ipts-firmware und linux-firmware respektive linux-ipts-firmware-lts und linux-headers-surface-lts für die Geräte der 7. Generation) boten nur mehr Single-Touch und man musste sich entscheiden zwischen Touch und Pen. Mit Kernel 5.8 kam der iptsdDämon, der bei mir anfangs jedoch nur Probleme verursachte – Cursor sprang wild umher und aktivierte alles Mögliche, der Pen hatte Versatz. Diese sind mittlerweile behoben.

Docking-Station empfohlen

Wer so wie ich mit diesen Einschränkungen leben kann, findet im Microsoft Surface Pro nicht nur eine stylische Hardware mit exklusivem Bildschirm, sondern ein ausdauerndes und leistungsstarkes Arbeitstier. Jedenfalls zu empfehlen ist die externe Docking-Station mit weiteren USB-Ports und Monitoranschlüssen. Auch ein USB-Ethernet Adapter für Unterwegs kann nie schaden, da im schmalen Gehäuse keine weiteren Anschlüsse Platz finden.

Ich habe die letzten vier Jahre mehrere Linux-Distributionen darauf installiert (Manjaro, Suse, Fedora, Ubuntu, u.a.m.), bin am Ende jedoch immer wieder bei KDE neon gelandet – weil ich mich mit Gnome nicht anfreunden kann. Bis auf das Thema mit der 3-Screen Installation hat mich das Surface nie im Stich gelassen – auch wenn mir das mit dem Pen doch ganz leicht weh tut. Die Gesichtserkennung ist für mich als Sicherheitsfeature nicht wirklich relevant und so tut’s eine ganz normale Webcam auch. Für Stifteingaben habe ich ein WaCom Intuos Pro Tablet oder ich nutze dafür Windows (schließlich läuft Gimp auch dort).

Surface 7+ zieht ein

Anfang April brach bei meinem Surface Pro 4 der Schirm und damit wurde ein Ersatz notwendig. Die Wahl fiel wiederum auf ein Microsoft Surface, diesmal ein Pro 7+ (wegen der tauschbaren SSD). Die Linuxtauglich­keit hatte mir mein Pro 4 bereits bewiesen und ich war von seinen Hardware­eigen­schaften nach wie vor beeindruckt.

Bei den Preisen kam meine alte Abneigung gegen Microsoft wieder hoch: Das 7+ mit 1 TB SSD kostete schlappe 790,- € mehr als dasselbe Modell mit einer 256 GB SSD. Eine passende 1 TB SSD wurde um 175,- € angeboten. Die Bestellung lautete Modell 256 GB und eine zusätzliche SSD ⇒ 615,- € gespart und dafür noch Spaß beim Umrüsten sowie eine Reserve SSD mit 256 GB (z. B.: für Backups).

Leider war die 1 TB SSD schwer verfügbar und so kam das Surface alleine. Doch das tat dem Ganzen keinen Abbruch. So konnte ich oben beschriebene Vorgangsweise von meinem Pro 4 aktualisieren und KDE neon 5.21.4 komplett neu aufsetzen (anstatt alles zusammen per Clonen vom Alten zu übernehmen). Diesmal liefen einige Punkte einfacher insbesondere weil das Recovery Environment nun als eigene Partition vorlag – früher befand es sich als Block am Ende der C:). Was ich jedoch (noch) nicht schaffte, waren Touch und der Pen zur Mitarbeit zu bewegen – beide sind bis dato nicht aktiv.

Windows und KDE neon im Dualboot

Dank meiner Installationsdokumentation war mein neues Surface Pro 7+ dann nach knapp sechs Stunden einsatzbereit – mit Windows und KDE neon im Dualboot und all meinen Programmen und dem wichtigsten Teil der Daten (wegen fehlendem Platz). Was noch aussteht, ist der Umzug auf eine größere SSD via Clonen. Sobald die noch fehlende SSD eintrifft, werde ich diesen Part nachliefern.

Ziel sind zwei Linux-Installationen (eines als Backup-System, weil ich beruflich davon abhängig bin) und ein automatisches Datenbackup mittels Syncthing in meine Nextcloud (auf einem RasPi). Ich werde mich auch weiter mit dem Thema Touch und Pen beschäftigen – vielleicht klappt es ja doch noch (mit einem 4.19‘er LTS Kernel).

Neben den bis jetzt 2 Berichten von Peter L. Steger zu Linux auf dem Surface können Interessierte zusätzlich auf meinen Testbericht zu Ubuntu auf dem Surface Pro 6 in der Zeitschrift LinuxUser zugreifen.

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