Kommandozeile, mein Schatzkästchen

Gastbeitrag von akli

Geht es dir manchmal auch so? Du möchtest jemanden mit einer Kleinigkeit Freude bereiten, aber nach kurzer Zeit denkst du: »Das kostet mich mindestens einen Abend am PC«.

Projekt Videostrams zusammenfügen

Zu Silvester bot eine örtliche Tageszeitung auf seiner Webseite den Videoclip eines Feuerwerkes an. Browser öffnen, anschauen – Klasse, das wirkt auf dem riesigen Fernseher meines Schwagers bestimmt sehr attraktiv. Nun sollte der Clip auf einen USB-Stick, denn ich wollte die etwa 160 MB nicht wieder und wieder für jedes Mal anschauen herunterladen.

Mit Videobearbeitung hatte ich mich zuvor noch nie beschäftigt. Meine Multimediaerfahrungen beschränken sich lediglich auf einige geschnittene und mit Überblendung zusammengefügte Audiofiles. Trotzdem, ran an die Arbeit und im Anwendungsmenü die Multimediaprogramme gescheckt. Dieses könnte ich verwenden, ein anderes eventuell auch noch.

Als Erstes die Dateien aus dem Browsercache in einen neuen Ordner kopiert. Genau jetzt bekam ich Zweifel ob meines Unterfangens, denn es waren genau zweiundfünfzig Dateien vom Typ MPEG-2-Transportstrom mit Dateinamen des folgenden Musters:

E1F74F024C33E470976E8550404778966BC69B6B
ACA130C91D8B62949CCFEEF6FD3B7FB9566A7623
25A6CA4822606A82C639F5C88272B0A513C8B9E3
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DC1C483767775FE1711A607E2363206E47CB83FF


52 Dateien, in der Summe fast 160 MB, und das alles in einem für mich neuen Programm zusammenfügen? Mich erwarteten einige Stunden Arbeit. Oder vielleicht doch nicht?

Cat und Co.

Die erste Idee, alle Dateien des Ordners mit dem Mediaplayer abzuspielen, erwies sich als nicht sinnvoll, denn jede neue Datei produzierte einen Aussetzer in der Wiedergabe.Dann fiel mir cat ein, mit dem ich schon öfter einige PDF-Textdokumente in eine einzige Datei packte. Ein Test musste zeigen, ob dies auch mit MPEG möglich wäre. Sofort ein Terminal geöffnet und in den Ordner mit den aus dem Browsercache separierten MPEG-Dateien gewechselt.

cat ./* > ./Film.peg


Nach nicht einmal zwei Sekunden kehrte der Prompt ohne Fehlermeldung zurück. Mein Grinsen im Gesicht hättest du sehen sollen. Doch der Augenblick der Wahrheit stand erst noch bevor. Ist die 158 MB große Film.mpg auch abspielbar? Ja, ohne zu mucken spielt der Mediaplayer die Datei ab. Nur hatte cat sie nicht so zusammengesetzt wie ich das erwartete. Die Reihenfolge der zweiundfünfzig Filmschnipsel richtete sich nach dem ursprünglichen Dateinamen. Es musste noch ein Kommando für die korrekte Reihenfolge her. Mir kam ls in den Sinn. Schnell die man-Page konsultiert, und siehe da, die Option t bzw. tr erzeugt eine Ausgabe in der Reihenfolge des Zeitstempels. Nun den erweiterten Befehl abgesetzt.

cat $(ls -tr *) > ./Film.mpg

Das Ergebnis war genau wie gewünscht. Ich war total begeistert, mein Schatzkästchen hat sich wieder einmal hervorragend bewährt und mir womöglich stundenlange Arbeit mit einem grafischen Programm erspart. Den USB-Stick mit der Datei nahm ich an Silvester zu meinem Schwager mit, wo wir dieses Mal ein virtuelles Feuerwerk betrachteten.

…könnte ja gut werden


Auch nach über zwanzig Jahren mit Linux überrascht mich die Kommandozeile immer wieder einmal. Deshalb nenne ich sie auch mein Schatzkästchen. Vergegenwärtige dir, dass jeder Klick auf einen Button der grafischen Oberfläche letztendlich einen textbasierten Befehl absetzt, also warum nicht gleich die Kommandozeile ausprobieren. Frei nach dem Motto »Einfach mal machen, könnte ja gut werden«.

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