Firmware: Debian hat im Sinne der Anwender entschieden

Die Diskussion über den Zugang zu Debian-Images, die unfreie Firmware enthalten zog sich über Jahre. Die Firmware wird häufig benötigt, um moderne Hardware bei der Installation zum Laufen zu bringen. Da Debian diese Images offiziell nicht anbot, gab es immer wieder Beschwerden von Neueinsteigern, dass Installationen misslangen, weil das offizielle Image die benötigte Firmware nicht bereitstellte.

Ich erinnere mich, dass es vor rund zehn Jahren schwierig war, diese Images überhaupt zu finden, da sie auf der Webseite von Debian nirgends Erwähnung fanden. Das hat sich mit den Jahren zwar gebessert, aber es war klar, dass Debian als Projekt hierzu früher oder später Stellung beziehen musste.

Entscheidung gefallen

Das ist nun in der Form einer General Resolution (GR) geschehen, bei der die Entwickler auf der Grundlage zuvor festgelegter Optionen entscheiden, wie sich das Projekt zu einer bestimmten Frage aufstellt. Das Thema Firmware war über die Jahre immer wieder Thema von teils hitzigen Diskussionen und wurde letztlich in diesem Jahr vom ehemaligen Projektleiter Steve McIntyre forciert und als GR ein gebracht. In den letzten Wochen wurden zunächst drei Vorschläge diskutiert, die dann für die GR auf sechs Optionen erweitert wurden.

Das Problem vieler eher konservativer Debian-Entwickler lag vorrangig darin, dass der Debian-Sozialvertrag im Absatz 1 festlegt: Debian wird zu 100% frei bleiben. Wenn man nun unfreie, aber benötigte Firmware auf offiziellen Debian-Images zulässt, verstößt dies gegen diese Freiheit, da die unfreie Firmware bisher nur in den Zweigen contrib und non-free angeboten wurde.

Firmware ja, nur ein Installer

Angesichts dessen ist die jetzt getroffene Entscheidung in meinen Augen die einzig Richtige. Gewonnen hat Option 5, die mit »Change SC for non-free firmware in installer, one installer« überschrieben war. Hier noch einmal der Inhalt von Option 5 auf Deutsch zusammengefasst:

Der Vorschlag von Debian-Urgestein Russ Allbery zielt in die entgegengesetzte Richtung, nämlich auf eine zeitgemäße Anpassung des Debian Social Contract. Da es sich um eine Änderung an einem Gründungsdokument handelt, ist hierfür eine 3:1 Mehrheit vonnöten. Der Debian-Gesellschaftsvertrag soll demnach durch eine neue Version ersetzt werden, die in jeder Hinsicht mit der aktuellen Version identisch ist, mit der Ausnahme, dass sie den folgenden Satz am Ende von Punkt 5 hinzufügt: Die offiziellen Debian-Medien können Firmware enthalten, die sonst nicht Teil des Debian-Systems ist, um die Verwendung von Debian mit Hardware zu ermöglichen, die solche Firmware benötigt. Ansonsten wird Vorschlag A unterstützt.

Russ Albery

Social Contract wird angepasst

Das bedeutet, der Sozialvertrag wird dahin gehend angepasst, dass Debian-Medien unfreie Firmware enthalten können. Weitergehend beinhaltet Option 5, dass lediglich ein Installationsmedium angeboten und der Anwender darüber aufgeklärt wird, dass das Image unfreie Anteile enthält und er diese ablehnen kann, sodass die resultierende Installation ausschließlich freie Software enthält und die Zweige contrib und non-free nicht aktiviert werden. Firmware-Blobs liegen künftig im neuen Zweig non-free-firmware. Die Änderungen treten mit Debian 12 »Bookworm« in Kraft.

Anwender an erster Stelle

Die getroffene Entscheidung lässt mich für Debian hoffen. Immer, wenn es wirklich um zukunftsweisende Entscheidungen geht, rafft sich das Projekt, wenn auch oft sehr langsam, zusammen und entscheidet sich für die Zukunft und für den Anwender und erfüllt in diesem Fall damit Absatz 4 des Sozialvertrags, der mit »Unsere Prioritäten sind unsere Anwender und Freie Software« überschrieben ist und in dem es heißt:

Wir orientieren uns an den Bedürfnissen unserer Anwender und der Gemeinschaft für Freie Software. Deren Interessen stehen an erster Stelle.

Debian Sozialvertrag, Absatz 4

Mit nur sechs Stimmen Unterschied lag Option 6 an zweiter Stelle, die auch für die Änderung des Sozialvertrags votierte, allerdings zwei getrennte Installationsmedien forderte. Von den rund 1.000 Entwicklern nahmen 366 an der Abstimmung teil. Das ist in etwa die übliche Teilnehmerzahl solcher Abstimmungen im Projekt. Steve McIntyre, der Initiator der GR, hat mittlerweile auf seinem Blog Stellung bezogen und die nächsten Schritte skizziert.

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