Debian Swirl

Debian und proprietäre Firmware: Entscheidung angestrebt

Der langjährige Debian-Entwickler Steve McIntyre, der neben der Rolle als Debian Projektleiter bereits viele andere Rollen bekleidet hat, greift in einem langen Beitrag in seinem Blog das bereits oft diskutierte Thema der Handhabung proprietärer Firmware im Projekt erneut auf. Er möchte eine General Resolution (GR), also eine offizielle Entscheidung der Entwickler herbeiführen.

Unfreie Firmware ist eine Tatsache

Das Thema wurde hier im Blog bereits mehrfach aufgegriffen und kontrovers diskutiert. Im Kern geht es darum, dass die offiziellen Abbilder zur Installation von Debian gemäß den Richtlinien der Debian Free Software Guidelines (DFSG) nur freie Software enthalten, was dazu führt, dass Komponenten wie unter anderem WLAN-Chips nicht funktionieren, da ihnen die benötigte unfreie Firmware fehlt. Die Installation von Servern per PXE scheitert ebenfalls, wenn kein Netzzugang möglich ist.

Es gibt zwar Abbilder mit unfreier Firmware, diese sind jedoch für Neueinsteiger, die die Problematik nicht kennen, nicht immer einfach zu finden. Das möchte McIntire nun ändern und findet dafür klare Worte:

Meiner Meinung nach ist die Art und Weise, wie wir mit (unfreier) Firmware in Debian umgehen, ein Schlamassel, und das schadet vielen unserer Benutzer täglich. Lange Zeit haben wir so getan, als ob die Unterstützung und Einbindung von (unfreier) Firmware auf Debian-Systemen nicht notwendig sei. Wir wollen unseren Benutzern keine (unfreie) Firmware zur Verfügung stellen, und in einer idealen Welt würden wir das auch nicht müssen. Es ist jedoch ganz klar kein vernünftiger Weg mehr, wenn wir versuchen, viele gängige aktuelle Hardware zu unterstützen.

Steve McIntire

5 Optionen für eine offizielle Entscheidung

McIntire präsentiert im Weiteren fünf Optionen, wie man künftig mit unfreier Firmware im Projekt umgehen könnte und will diese in der Form einer Grundsatzentscheidung seinen Kollegen zur Wahl stellen. Die Optionen reichen von der Beibehaltung des Status Quo über die Abschaffung der Abbilder mit unfreier Firmware oder deren Gleichstellung mit den derzeit offiziellen Abbildern bis hin zu nur noch offiziellen Abbildern mit unfreier Firmware oder einem eigenen Repository für diese Pakete.

Die Richtlinien anpassen?

Wenn unfreie Firmware einen offiziellen Status im Projekt erhalten soll, so muss Debian über seinen Schatten springen und Anpassungen an den Richtlinien zulassen, denn der erste Satz in Debians Gesellschaftsvertrag (Debian Social Contract) lautet »Debian wird zu 100% frei bleiben«. Dies ist eine klare Aussage. Andererseits muss ein Projekt in der Lage sein, sich den veränderten Bedingungen anzupassen, wenn es diese nicht ändern kann. Ansonsten verliert es seine Relevanz.

McIntire liegt das Thema unter anderem deshalb am Herzen, da er unter anderem bei jeder Veröffentlichung für die Erstellung der Abbilder verantwortlich ist. Er persönlich tendiert zu einer Auslagerung in ein eigenes Repository, das in die offiziellen Abbilder eingebunden wird.

Kommentare weitgehend zustimmend

In den bisher rund 20 Kommentaren sind alle außer einem für eine wie auch immer geartete nutzerfreundliche offizielle Bereitstellung von unfreier Firmware. Die Diskussion wird vermutlich auf die Mailinglisten übergreifen und eine Weile andauern. Ich bin sehr gespannt, wie eine GR über dieses Thema ausgehen wird.

Siduction ist den Schritt im Sinne der Anwender bereits vor Jahren gegangen. Bei der Installation der auf Debian Sid basierten Distribution wird standardmäßig unfreie Firmware installiert und der Anwender darüber informiert. Er kann dies vor der Installation oder hinterher mit dem Befehl apt purge $(vrms -s) verhindern oder die Pakete hinterher entfernen.

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21 Kommentare

  1. Schwierig. Ich habe nichts gegen Proprietäre Software und nutze sie selber. Aber nicht jeder denkt so. Der Linux-Distro-Markt hat in der Beziehung sehr viel Auswahl, so das sich Debian gar nicht sonderlich ändern muss. Debian nutzen vorallen die Leute, die mit der Philosophie und Prinzipien des heutigen Debian einverstanden sind. Die es nicht sind, nutzen andere Distributionen. Was könnte daher passieren. Debian ändert seine Meinung gegen über propritären Software, gewinnt womöglich paar Nutzer, weil es nun einfacher geworden ist und verliert womöglich paar Nutzer, weil sie mit der neuen Ausrichtung nicht einverstanden sind.

    Für mich ist eines klar. Rein FOSS-orientierte Distributionen schließen proprietäre Software aus und schränken mich ein, weil sie einen Teil meiner freien Entscheidung einfach weg sperren und nicht erlauben. Sie beschränken für mich das Recht auf freie Entscheidung und sind somit Unfrei. Darum interessieren die mich auch nicht.

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    1. Debian nutzen vorallen die Leute, die mit der Philosophie und Prinzipien des heutigen Debian einverstanden sind.

      Unsinn!

      Ich nutze Debian weil:

      • es kein Rolling Release ist.
      • die Pakete auch noch nach Release mit Sicherheitspatches gepflegt werden, was man von Ubuntu nicht ohne weiteres behaupten kann.
      • weil es stabil ist und wenig Probleme macht sobald es läuft
      • die Upgrades auf die nächste Distri Version klappt
      • es für die Majorupgrades eine definierte umfangreiche Doku gibt wo vorab drin steht, welche Probleme beim Upgrade auftauchen könnten und man sich somit darauf im Vorfeld einstellen kann
      • weil den Paketen feste Maintainer zugewiesen werden, womit es einen Ansprechpartner gibt und jemand der dafür zuständig ist.
      • es den Pakettracker gibt, bei dem man alle wichtigen Infos zu einem bestimmten Paket gibt

      Die Freiheitsphilosophie find ich gut, dennoch habe ich mit den NVidia Treibern immer non-free Komponenten installiert und deswegen nutze und empfehle ich auch meist das non-free image, wenn Debian irgendwo installiert werden soll.

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      1. Ergänzung:
        Einen Punkt habe ich noch vergessen zu erwähnen, ich verwende Debian insbesondere auch auf dem Desktop und somit als Distribution für den Desktop und nicht nur für Server, wie es Debian von vielen nachgesagt wird.

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  2. Die 5. Option erscheint mir recht erstrebenswert.
    Macht sie es doch für viele leichter Debian zu nutzen ohne das hierdurch die Prinzipien von freier Software zu sehr aufgeweicht werden. Ich bin gespannt darauf, wie die weitere Diskussion hierüber sein wird.

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  3. Finde ich gut wenn “unfreies” entlich offiziell unterstützt wird. Nicht nur aus technischer Sicht. Auch Programmierer und Anbieter von prop. Software haben eine Reputation.

    Wird diese als mangelhaft oder fehleranfällig durch die weltweite Linux Cmmunitie bewertet, und auf diversen Linux (Software) Fachseiten buchstäblich “zerrissen” können die ihren “Laden” dann bald schließen.

    Und wir “Einfach-Nur-Nutzer”, wir gewinnen auch, weil wir die beste Linuxbasis haben, die es gibt. Debian. Debian in vielen Variationen, mit und ohne Plobs…

    Win/Win für alle!

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    1. Auch Programmierer und Anbieter von prop. Software haben eine Reputation. Wird diese als mangelhaft oder fehleranfällig durch die weltweite Linux Cmmunitie bewertet, und auf diversen Linux (Software) Fachseiten buchstäblich “zerrissen” können die ihren “Laden” dann bald schließen.

      War das jetzt Ironie?
      Die Ironietags hast du jedenfalls vergessen.

      Genau das, dass HW mit unfreien Treibern Probleme macht ist von einigen so gewollt, damit die Hersteller freie Treiber rausgeben oder deren Entwicklung mit Informationen über die HW unterstützen. So will man nämlich die Hersteller dazu bringen, dass sie sich Richtung freier Treiber bewegen.

      Insofern ist aus Sicht der Debian Ziele das schon richtig so, wenn da nur nicht das Problem mit den Anwendern wäre, die dann ihre HW nicht zum Laufen bekommen und aus denen Debian ja seine zukünftigen Entwickler rekrutiert.

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  4. dann wäre fast nur noch
    Xebian
    Siduciton (anfällig und extrem viel Updates pro Woche)
    Emmabutüs
    wenn man bei Debian bleiben will, alles sehr gut auf deutsch einstellbar.

    Debian ohne “non-free” ist für Anwender ein extremer “Zeitfresser”
    DebianEDU auch aus dem “no-free” rausgeht, die armen Schuladmin’s

    andrere Distris bieten per Mausklick an:
    Audio Video Codec non-free j/n
    Firmware non-free j/n
    usw
    sollte Debian auch machen
    für kleinst bis groß Firmen-Admins gelten andrere Regeln.

    ich habe Deb11 Emmabutüs auf Notebook weil nicht ständig etwas aufpoppt und updaten will,
    dann kommen immer Fragen, so kann ich einmal im Monat updaten und gut.

    wenn Debian-non-free aufgegeben ist die Installation zeitverschwendetes arbeiten,
    dann halt was anderes.
    Grund: ich habe auf meinem nagelneuen i9 neuestes Board M.2-usw, bevor ich Win11pro hatte,
    testweise installiert.
    Ergebniss: kein einziges Linux auch non-free hat sich da installiert. :–(
    haben alle aufgegeben.
    Gruß Gast

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  5. Siduction ist den Schritt im Sinne der Anwender bereits vor Jahren gegangen. …

    Ja, Siduction hat einen guten Weg gefunden. Siduction als offizieller Teil von Debian? Wäre das denkbar?

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    1. Siduction als offizieller Teil von Debian? Wäre das denkbar?

      Im Moment, gleich aus mehreren Gründen nicht. Aber könntest Du erläutern, wieso es Dir wichtig wäre, beide Projekte vereinigt zu sehen?

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      1. Ja, gerne: eine hohe Wichtigkeit hat es zwar für mich nicht, ich finde es schon recht gut, wie es ist. Aber die Entwicklung geht weiter. Wenn ich gerade mitbekomme, welche Wege bei Fedora und Suse vorbereitet wurden oder werden (muss nicht heißen, dass ich mir die bei Debian wünsche!), denke ich, dass in Siduction zukunftsweisende Entwicklungen möglich wären. Mit Unterstützung könnte vielleicht eine sehr gute Entwicklung voran gebracht werden. Siduction profitiert von Debian, warum soll nicht auch Debian von Siduction profitieren. Gemeinsam gehts besser. Weniger gegeneinander, mehr miteinander! Bisher beeindruckte mich Siduction sehr, das ist Potential vorhanden.

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            1. Er spricht von Systemen mit Attributen wie immutable, atomic updates,rollback etc.

              Ich habe mir gedacht, dass diese Entwicklung gemeint war. Aber die spannendere Frage ist doch, sind Fedora Silverblue/Kinoite die logische Weiterentwicklung auf dem Desktop, oder werden diese parallel zur Workstation bzw. zu den Spins, als Ergänzung des Portfolios entwickelt?

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                1. Ich denke, es geht zumindest bei Fedora längerfristig um den Ersatz der Workstation.

                  Nun muss ich doch noch einmal konkreter nachfragen. Ist das eher eine Ahnung Deinerseits, oder gibt es dafür tatsächlich irgendwelche Pläne, die noch nicht publik geworden sind?

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            2. Ja richtig, aber wie oben schon gesagt, wünsche ich mir das für Debian nicht. Das heißt, ich kann “Attributen wie immutable, atomic updates,rollback” nicht tatsächlich bis auf den Grund beurteilen, da fehlt mir das technische Verständnis. Nein, Siduction als Debian-Rolling-Release-Zweig mit voller Unterstützung von Debian wäre doch was. Oder nicht? Na ja, das müssen die Debian- und Siduction-Leute überlegen oder auch nicht. Das ist nur meine bescheidene User-Ansicht …

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