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Debian diskutiert erneut über Freie Software

Freie Software
Screenshot: ft

 

Seit einigen Tagen herrscht bei Debian eine rege Diskussion über ausschließlich Freie Software auf den Distributionsmedien auf der Debian-Entwicklerliste. Ausgelöst durch einen Bericht einer fehlgeschlagenen Debian-Installation entwickelt sich der Thread zu einer Grundsatzdiskussion, welche sich bei Debian leicht über Wochen hinziehen können, um dann oft genug ergebnislos zu versickern.

Linux Mint gegen Debian

Der Ausgangspost beschreibt den Versuch eines fortgeschrittenen Computer-Anwenders, erstmals Linux auf einem Notebook zu installieren. Er entschied sich zunächst für Linux Mint und die Installation funktionierte auf Anhieb, die Hardware des Notebooks wurde korrekt erkannt und eingerichtet. Ein befreundeter Debian-Entwickler bat ihn, doch auch Debian 9 »Stretch« eine Chance zu geben. Gesagt – getan. Das Ergebnis war allerdings nicht wie erwünscht. Weder konnte nach der Installation eine WLAN-Verbindung erstellt werden, noch konnte auf angeschlossene NTFS-Laufwerke geschrieben werden. War ersteres zu erwarten, da WLAN-Treiber bei Debian in der Non-Free-Sektion liegen, so scheint das zweite ein Bug in NTFS-3G zu sein. Aber darum geht es hier nicht.

Versteckt, aber funktionierend

Prompt fragte ein Entwickler, warum der Anwender denn nicht ein inoffizielles Image genommen habe, welches die notwendige unfreie Firmware bereits mitbringt. Andere wollten daraufhin wissen, woher denn der Anwender von der inoffiziellen Version gewusst haben solle. Wie sich im weiteren Verlauf heraus stellte, wissen nicht einmal alle Debian-Entwickler, wo diese Images zu finden sind. Daraus ist mittlerweile ein zweiter Thread entstanden.

Kein Ende in Sicht

Damit waren die Grundlagen gelegt, um in Debian eine Grundsatzdiskussion loszubrechen, die sowohl technische als auch ideologische Fragen aufwirft, aber in erster Linie geht es um die Grundfesten der Distribution. Debian hat sich von Beginn an Freier Software verschrieben. Dabei ist das Thema nicht neu. Das 2011 erschienene Debian 6 »Squeeze« basierte erstmals auf einem Kernel, aus dem in zweijähriger Arbeit alle unfreien Firmware-Blobs entfernt worden waren. Vorausgegangen waren zwei  General Resolutions, (GR), ein Wahlverfahren, bei dem nach einer Diskussionsphase alle Debian-Entwickler einer der angebotenen Lösungen ihre Stimme geben können. Trotzdem kehrt die Diskussion ständig wieder.

Debian verliert

Es wird diskutiert, dass Debian Anwender an andere Distributionen verliert, die noch weniger frei sind und Debian im Endeffekt irgendwann nur noch die Basis für andere Distributionen darstellt, die es dem Anwender einfacher machen, die Hardware zu benutzen, die er bezahlt hat. Ein weiterer Einwurf ist, dass Debian mit diesem Beharren auf ausschließlich Freier Software auf den Images der Distribution Linux insgesamt Schaden zufüge, da neue Anwender, die erstmals eigenständig Debian installieren, Linux generell als nicht funktional empfinden und zu ihren proprietären Betriebssystemen zurückkehren. Dabei geht es im Grunde doch darum, den Anwender zu informieren, bevor er unfreie Software einsetzt, so dass er eine fundierte Endscheidung für sich selbst treffen kann.

Nur Freie Software oder zufriedene Anwender?

Hier geraten die zwei wichtigsten Debian-Schutzgüter in Konflikt: Freie Software und die Debian-Anwender. Im Endeffekt geht es dabei um einen Spagat zwischen der Anerkennung durch die Free Software Foundation (FSF) von Richard Stallman und dem Wunsch der Anwender, dass Debian ihre Hardware bei der Installation erkennt und mit den benötigten Treibern funktionsfähig macht, egal ob free oder non-free. Dabei ist Debian für Richard Stallman nicht frei genug, da es dem Anwender zu leicht gemacht wird, unfreie Software zu installieren. Der Anwender hingegen findet es zu schwer, seine Hardware in Betrieb zu nehmen. Entwickler Marc Haber bringt es auf den Punkt:

»We’re approaching a worst-of-both-worlds scenario: We’re not Free enough to have the FSF recommend us, and we’re not non-free enough for our OS to run on current hardware used by Linux beginners, and cause them to end up with OSses that are (a) not Debian, and (b) even less free than Debian«

Wer kommt bei Debian ohne Firmware-Blobs aus?

Es geht dabei um mehr als das oft angesprochene, ohne unfreie Firmware nicht funktionierende WLAN. Auch einige Chips für kabelgebundenes Internet verlangen nach unfreier Software. Ebenso brauchen unsere CPUs zum einwandfreien Betrieb unfreien Microcode. Diese Tatsachen werden aus politischen Gründen auf debian.org nicht erwähnt, ebenso wenig wie die Existenz offizieller Images, die diese Probleme bei der Installation lösen helfen. Eine endgültige Lösung dieser Probleme in Debian ist nicht in Sicht, dazu gehen die Ansichten darüber bei den Entwicklern zu sehr auseinander. Eine Lösung für die nächsten Jahre könnte wohl nur, wie von Debian-Urgestein Ian Jackson leise angedeutet, eine neue General Resolution sein.

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