Vanilla OS ist eine der aktuellen Linux-Distributionen aus der Sparte immutable, die auf den Desktop abzielt und allemal einen Blick wert ist. Ich hatte im Oktober während des geschlossenen Beta-Tests zur ersten Ausgabe von Vanilla OS darüber berichtet und seitdem den Werdegang in einer VM verfolgt. Im nächsten LinuxUser gibt es dazu einen ausführlichen Test.
Die erste Ausgabe von Vanilla OS basierte vor einigen Wochen auf einem entkernten Ubuntu 22.10 und GNOME 43 ohne die Anpassungen von Canonical. Vom Aussehen her denkt man dabei eher an Fedora als an Ubuntu. Gestern gaben die Entwickler bekannt, dass sie für die nächste Version Vanilla OS 2.0 »Orchid« von Ubuntu zu Debian Sid als Grundlage wechseln, um mehr dem Gedanken von vanilla nahezukommen.
Anpassen von Ubuntu zu aufwendig
Der Entscheidung liegen einige Erkenntnisse zugrunde. Es erwies sich als zu aufwendig, Entscheidungen von Canonical rückgängig zu machen. Das bezieht sich sowohl auf die Änderungen an GNOME als auch auf das bevorzugte Paketformat. Die Entwickler von Vanilla OS halten Flatpak für die bessere Wahl gegenüber Snaps, die in den Containern des hauseigenen APX-Paketmanagers nicht gut funktionieren. Zudem erlangt das Projekt mit dem Wechsel zu Debian Sid mehr Freiheit bei der Veröffentlichung neuer Versionen und ist nicht mehr an den Update- und Release-Zyklus von Canonical gebunden.
Teilmenge des Archivs
Um die Unwägbarkeiten eines Rolling Release-Modells etwas abzumildern, wird Vanilla OS nur eine Teilmenge des riesigen Debian-Archivs als Kern des Systems abbilden. Die Anwender sind gehalten, weitere Anwendungen per Flatpak, Distrobox oder den hauseigenen Paketmanager APX zu installieren. Als weitere Neuerung ist die Implementierung des OCI-Containerformats der Linux Foundation in ABRoot geplant. Damit erhofft man sich eine bessere Kontrolle über die Updates. Die Updates übernehmen das Herunterladen und Extrahieren der Aktualisierungen, wodurch die Verwendung des Paketmanagers vermieden und eine exakte Kopie des Systems sichergestellt wird, während die vom Benutzer vorgenommenen Änderungen erhalten bleiben.
Installation aufgebohrt
Die bisher etwas eingeschränkten Möglichkeiten während der Installation sollen durch zwei Installationsvarianten verbessert werden. Die Express-Installation soll ein intuitives und unkompliziertes Verfahren bieten, um Vanilla OS schnell einrichten zu können, während das Setup die wichtigen Aufgaben übernimmt. Das Advanced-Setup ist für Benutzer gedacht, die eine maßgeschneiderte Installation für ihre Anwendungsfälle und Arbeitsabläufe benötigen.
Wann mit Vanilla OS 2.0 »Orchid« zu rechnen ist, wurde noch nicht verraten. Es fehlen auch noch Informationen, ob der Wechsel der Unterlage eine Neuinstallation bedingt oder ob es den Entwicklern gelingt, den Umstieg durch eine Anpassung der Quellenliste zu stemmen. Klar ist lediglich, dass GNOME 44 als Desktop und Linux 6.x als Kernel Teil der zweiten Ausgabe sein sollen.
Attraktive Features
Die Attraktivität von Vanilla OS sehe ich im ABRoot-System mit zwei Root-Dateisystemen, von denen jeweils nur eins beschreibbar eingehängt ist. Das ermöglicht es auch Desktop-Anwendern, ein unveränderliches System zu nutzen, ohne sich tief einarbeiten zu müssen. Einen weiteren Zugewinn sehe ich im auf APT basierenden Paketmanager APX, der es ohne viel Aufwand ermöglicht, auch Pakete von Fedora, Alpine, openSUSE, Void Linux, dem AUR von Arch Linux und seit Kurzem auch aus den Repositories von Nix zu installieren.
Der Umstieg auf Debian Sid und die Diskussion im Projekt, auch eine Variante mit dem Plasma Desktop zu erstellen machen Vanilla OS für mich zu einem noch spannenderen Projekt als es das bisher bereits war.