Bereits vor einigen Tagen hat Fedora angekündigt, die Hardwarebeschleunigung (VA-API) für H264, H265 und VC1 in der freien Grafikbibliothek Mesa 3D zu deaktivieren. Der Grund, warum Red-Hat-Anwälte diesen für die Endanwender drastischen Schritt gehen, ist juristischer Natur. Die genannten Codecs sind von der MPEG Licensing Administration (MPEG LA) patentiert. Dass sie bisher in Fedora verfügbar waren, war reiner Zufall, niemand hatte es bemerkt. Kernel-Entwickler David Airlie äußerte sich dazu folgendermaßen:
Dies war ein Versehen, das [es] zuvor aktiviert war, und ich denke, wir müssen es auch aus älteren Fedora-Versionen entfernen. Fedora kann nichts ausliefern, was dazu führt, dass das Betriebssystem eine API bereitstellt, die Patentalgorithmen offenlegt. Die Patent-Lizensierung rund um H264/H265 ist so, dass die Bereitstellung dieser API Red Hat und andere Fedora-Distributoren rechtlichen Problemen aussetzen könnte.”
David Airlie
Unklare Situation
Die Situation betrifft von der rechtlichen Seite her hauptsächlich die USA, aber auch in Europa/Deutschland sind Software-Patente Realität, egal was man davon halten mag. Kommt es zur Klage, kann das teuer werden. Die Gerichtskosten bei solchen Verfahren belaufen sich zumindest in den USA auf zwei bis fünf Millionen Dollar, die Strafen im Falle einer Verurteilung können noch wesentlich höher liegen, nach oben gibt es kaum Grenzen. Angesichts dessen ist es verständlich, dass sich große Unternehmen entsprechend absichern, da sie besonders im Fokus der Patent-Inhaber stehen.
Dass Distributionen und deren Nutzer überhaupt von dieser Situation betroffen sind, liegt teilweise daran, dass sich Hersteller von Chips, Mainboards und die OEMs gegenseitig die Kosten für die Lizenzierung zuschieben. Eigentlich sollten Käufer von Rechnern oder Phones beim Kauf darüber aufgeklärt werden, welche Lizenzen bezahlt wurden.
Kein Hardware-Support mehr
Die Folgen der Deaktivierung betreffen zunächst Fedora 37 und Rawhide, vermutlich werden aber auch ältere Ausgaben betroffen sein. Für die Anwender bedeutet es, dass der Hardware-Support für das Abspielen von Videos, das Streamen von Spielen, die Teilnahme an Online-Sitzungen und vieles andere nicht mehr gegeben sein wird.
Der vielerorts kolportierte Umweg über RPM Fusion wird nicht gangbar sein, denn die Maintainer dieses Repositories haben es abgelehnt, eine Mesa-Version mit aktivierten Codecs zu betreuen. Bleibt also nur, Mesa selbst zu kompilieren. Dazu werden aber nur die wenigsten Anwender in der Lage sein.
openSUSE zieht nach
Mittlerweile hat auch openSUSE die Nutzung der besagten Codecs aus den gleichen Gründen unterbunden. Es bleibt abzuwarten, wie andere Distributionen, insbesondere Debian, reagieren und was sich die Communities dazu einfallen lassen. Wer tiefer in das Thema einsteigen möchte, dem sei eine Diskussion auf Phoronix, ein Video von Brodie Robertson oder ein Tweet von einem ehemaligen, mit juristischen Dingen bei Red Hat befassten Mitarbeiters ans Herz gelegt.