Systemd hat in den letzten Jahren Linux umgekrempelt wie kaum eine andere Entwicklung. Der Fakt, dass die meisten Linux-Distributionen auf den Sitzungs- und Dienste-Manager setzen, trägt bei aller Kritik nicht unerheblich zu einer wünschenswerten Vereinfachung und Standardisierung bei. Man denke nur zurück an den Wust von Init-Scripten bei SysVinit. Jetzt hat Systemd-Vordenker und Haupt-Entwickler Lennart Poettering still und leise Red Hat verlassen und hat bei Microsoft angeheuert.
Begehrte Entwickler
Wem Microsoft jetzt als inadäquate Wahl für einen prominenten Linux-Entwickler erscheint, dem sei gesagt, dass Microsofts Headhunter einen guten Job machen und Lennart Poettering da in einer langen Reihe steht. Angefangen mit GNOME-Mitbegründer [wiki title=”Miguel_de_Icaza”]Miguel de Icaza[/wiki] über [wiki title=”Nat_Friedman”]Nat Friedman[/wiki] bis hin zu Python-Mastermind Guido van Rossum, um nur einige zu nennen.
Notwendige Taktik
Wer den Weg von Microsoft in den letzten Jahren verfolgt hat, für den sollte der Schritt, Poettering anzuheuern, ebenfalls keine Überraschung sein. Microsoft folgt zwangsweise dem Wunsch seiner Enterprise-Kundschaft und unterstützt heterogene Umgebungen, die auch Linux umfassen. Die Cloud-Computing-Plattform [wiki title=”Microsoft_Azure”]Azure[/wiki] und das [wiki title=”Windows-Subsystem_für_Linux”]Windows-Subsystem für Linux[/wiki] (WSL) sind sprechende Beweise dafür. Ob man das nun als einen weiteren Schritt von [wiki title=”Embrace,_Extend_and_Extinguish”]Embrace, Extend und Extinguish[/wiki] sieht oder einfach als notwendiges Geschäftsgebaren bleibt jedem selbst überlassen.
Mögliche Aufgaben
Wir kennen den Vertrag zwischen Microsoft und Poettering nicht, deshalb bleibt zunächst nur Spekulation über seine dortigen Aufgaben. Auf jeden Fall ist der Systemd-Entwickler profiliert genug, sich seine Aufgaben aussuchen zu dürfen. Und Systemd wird da bestimmt ganz oben auf seiner Karte stehen. Denkbar wäre die durchaus wünschenswerte Integration von Systemd in WSL2. Auch ist nicht von der Hand zu weisen, dass Microsoft in der Zukunft Windows mit einem Linux-Kernel versehen wird. Das ergibt Sinn, wenn man bedenkt, dass Windows immer mehr in Richtung kostenlos verteilter Software tendiert.
Für Microsoft ist die Anstellung von Lennart Poettering ohne Frage ein großer Gewinn. Wie groß der Verlust für Linux sein wird, muss sich erst noch herausstellen.

Kapiert ihr es jetzt? Poettering ist nur ein weiteres U-Boot der Redmond-Klasse und war es vermutlich die ganze Zeit. Was habe ich mir mit den Microsoft-Trollen und ihren leider gutgläubigen Jüngern seinerzeit auf PL für hitzige Wortgefechte geliefert. Es ist so gekommen, wie ich es befürchtet hatte. Ist mittlerweile eh egal.
Auf golem.de: https://www.golem.de/news/lennart-poettering-system-gruender-wechselt-offenbar-zu-microsoft-2207-166696.html
Will Microsoft mehr Einfluss auf die Linux-Entwicklung bekommen?
Wenn ja, bleibt für mich die Frage, ob die (neuen) Projekte mit Beteilung von Herrn Poettering noch so viel Einfluss auf die Linux-Welt haben werden, wenn nicht mehr Red Hat im Rücken steht.
LLAP
Ferdi
Also ich gönne es Lennart Poettering und wünsche ihm alles erdenklich gute 🙂 Und nein, das er zu Microsoft wechselt überascht mich nicht und als ich die Nachricht gersten laß, ” … Eher scherzhaft wird auch Microsoft als potenzieller Arbeitgeber erwähnt. … “, hoffte ich insgeheim er wäre bei Microsoft. Und nun das 😀
In meinen Augen ist das eher ein Wunschdenken und glaube nicht das es tatsächlich passieren wird. Die Umstellung ist aus Wirtschaftlicher Sicht viel zu groß, den Treiber, Software sind nunmal auf Windows gemacht. Auch würde man Know-How mit der Konkurrenz teilen. Viele Technologien werden von Windows auf Linux rückportiert, wenn gewünscht wird. Und die Umstellung allein würde Jahrzehnte beanspruchen. Ich denke es geht tatsächlich mehr um Azure und vielleicht, aber nur vielleicht um ein “Web-Windows”, wo man ein Thin-Client ins Netz bringt und ein Windows im Browser bedient, wo weitere Software (wie in nativ) gekauft, geleast und genutzt werden kann. Das eigentliche Windows wird immer Windows bleiben.
Mittlerweile glaube ich nicht das Linux in irgendeiner Form noch großflächig auf den Desktop schafft. Ich sehe dafür noch viele Hürden die es zu überwinden gibt.
“Mittlerweile glaube ich nicht das Linux in irgendeiner Form noch großflächig auf den Desktop schafft. Ich sehe dafür noch viele Hürden die es zu überwinden gibt.”:
Für jemanden wie mich, der seit ca. 20 Jahren ausschließlich mit Linux auf Desktops und ThinkPads arbeitet (privat und geschäftlich [in einem Windows-Netzwerk]), hört sich das seltsam an. Ja, das liegt einfach nur daran, dass Windows vorinstalliert ist! Wenn ich jemandem aus meinem Familien- oder Freundeskreis Debian oder Devuan mit Xfce oder Lxqt “vorinstalliere”, dann arbeitet er auch einfach damit. Da gibts keine Probleme, eigentlich realisieren die kaum, dass da ein Linux-Kern ist, wie Android-User auch. Die Vorinstallation von Debian oder Devuan wird bei neuer Hardware natürlich nicht vom Hersteller aus gemacht, die Firmen, die meinen, sie gehören zu den Großen installieren nur vom Großen (MS). Ich denke, es wird in Zukunft vielleicht eher etwas wie Android sein, wenn ich Poetterings Visionen interpretieren darf. Mit den Telefonen hat es angefangen, dann setzte es sich mit den Tablets fort und die Gewöhnung daran schreitet voran. Eigentlich kann angenommen werden, dass es derzeit nur ein kleiner Schritt zum Desktop ist.
Was sich wiederum für jemanden wie mich, der seit min. 22 Jahren, ich will ja nicht protzen oder es besonders hervorheben das ich schon über 22 JAHRE!!! mit Linux arbeite…, auch mit Linux arbeitet, sich wiederum seltsam anhört :p
Wobei es darauf ankommt, was genau hier “arbeiten” bedeutet. Mein Familien und Freundeskreis besteht unter anderem aus CNC und CAD Spezialisten, Stamotologen, DJs, Spielern und Studenten. Bei keinen hat Linux lange überdauert, weil für sie ihre Software fehlte. Ich kann ebenfalls ein Lied davon singen, das Linux allein mir nicht ausreicht, wenn ich mein Geld als Entwickler verdienen möchte. Ob Nativ oder Web, ich entwickle überwiegend immer für Windows. Ich kenne schon allein niemanden bei mir im Umkreis, oder Arbeit, der Linux nutzt. Allein mein Paps hat jetzt ein openSUSE mit KDE. Darauf spielt er paar Games wie Solitaire und iChess. Er ist auch sehr zufrieden mit Linux.
Nichts für ungut, aber so lese ich deinen Post.
“Arbeiten” in dem Sinn, wie ich es hier meinte und was meine “Klientel” wünscht, umfasst eigentlich nur die typische Büroarbeit, ob zu Hause oder in der Firma. Textverarbeitung, Tabellen, Präsentationen usw. Dann kommt noch Mail dazu, Teleshopping und die Bildverarbeitung. Spiele z.B. interessieren absolut niemand niemanden.
Das bedeutet, man braucht ein stabiles System, Thunderbird, Firefox, GPA, LibreOffice, Gimp, Rawtherapee oder Darktable, bei manchen installiere ich auch Digikam, und das wars meist schon.
Meine Bedürfnisse gehen etwas darüber hinaus, aber sie werden auch vollkommen abgedeckt. Vielleicht habe ich eine etwas puristische Neigung, aber das darf ich auch haben. Das wichtigste Tool ist für mich ein einfacher Texteditor.
Die Ansprüche sind unterschiedlich. Oft wird aber vielleicht gerade mal gefühlt 0,1% der vorhandenen Möglichkeiten genutzt.
In der Arbeit bin ich mit einem Devuan-System in einem Netzwerk tätig, was sonst nur aus Windows-Rechnern besteht, bei denen allerdings auch Wert auf freie Software gelegt wird. Überall ist z.B. LibreOffice installiert, womit die Briefe, Präsentationen, Druckvorlagen usw. gemacht werden. Die Zusammenarbeit geht reibungslos. Ich wundere mich, dass in solchen Bereichen nicht häufiger Linux verwendet wird. Ich administriere meinen Devuan-Rechner selbst. Die Windows-Rechner werden von einem externen Dienstleister administriert, was nicht unerhebliche Kosten verursacht. Ich kann nur den Kopf schütteln. Ich bin eigentlich ein Freund des Prinzips Bring-Your-Own-Device, bei dem Mitarbeiter einer Firma mit den Equipment arbeiten, das sie wollen. Das sollte heutzutage möglich sein. Alles andere ist von gestern.
Ich arbeite in der Automobil Industrie.
Kann nur sagen warum dort z.B. kein LibreOffice & Co. läuft: Die OEM’s. Die nutzen alle MS Produkte. Dazu kommen über Jahrzehnte gewachsene Strukturen und jede Menge hoch spezialisierte Software Lösungen zum Einsatz. Die kannst du weder gerade mal even ersetzen, geschweige den umstellen.
Wir haben aber genauso Mainframe Farmen mit Linux am laufen (RH in dem Fall) für hoch kritische Simulationen.
Nicht das unsere IT nicht wollte, aber bei derart großen Strukturen, Anzahl Mitarbeiter (ca. 65.000 aktuell) und entsprechend viele Rechner, ist das einfach mega schwierig. So sehr ich mir das wünsche.
In vielen anderen Bereichen des Lebens würde das aber durch aus machbar sein und hier ist die Politik gefragt, aber das ist ja ein bekanntes Trauerspiel.
Ich bedauere diesen Schritt. Aber ich vermute, dass dieser Schritt wohlüberlegt war und keine Kurzschlussreaktion? Bin mir aber nicht sicher. Sind denn mittlerweile Gründe bekannt, die über Gerüchte hinaus gehen?
svchost.exe und systemd unterscheiden ja ohnehin nur Nuancen voneinander.
Dann stellt sich allerdings die Frage, wozu die bei MS Poettering noch brauchen.
Ich denke mal er wird dort für MS machen was er bislang für RH gemacht hat.
Ja, so schnell kann es gehen. Gestern hieß es noch ” … Eher scherzhaft wird auch Microsoft als potenzieller Arbeitgeber erwähnt. … “
Was für ein Geschäftsmodell verfolgt Microsoft?
Das OS ist nur die Grundlage (ich denke das meintest du Ferdinand). Womit sie Geld verdienen sind Office 365, Teams, Server Dienste-/Applikationen, Lizenzen für Drittanbietern, … das eigentliche System bietet nur die Grundlage für die Bezahldienste.
Davon abgesehen kann Lennart ja zu jedem Arbeitgeber wechseln wie er möchte. Er wird seine Gründe haben. Vielleicht möchte er dort lernen. Microsoft macht ja nicht alles falsch, wenn gar uns Linuxern das nicht immer gefällt. Vielleicht ist er auch das trojanische Pferd oder er möchte einfach nur mitgestalten.
Davon abgesehen muss auch er Geld verdienen und für seine Vita muss das nicht die schlechteste Etappe sein.
Was er nicht sollte: Seine Seele verkaufen und treu bleiben.
Na, Hauptsache, die Kohle stimmt.
Die Strategie von Microsoft kenne ich nicht, bin aber über die Aussage “dass Windows immer mehr in Richtung kostenlos verteilter Software tendiert” verwundert. Damit dürfte ja wohl kaum Windows selbst gemeint sein, da Windows bei Hardwarekauf immer eingepreist ist, ob man es benötigt oder nicht. Und die Software, die kostenfrei im System dabei ist, ist oftmals eher von fragwürdigem Nutzen.
Ich meinte damit, dass Windows immer mehr zum bezahlten Dienst mutiert, während man Lizenzen dafür für wenige Euro kaufen kann.
Was bleibt den auch anderes übrig? Die stehen mächtig unter Druck. Immer mehr Alternativen überschwemmen den Markt, teils sogar bessere, wie zB. Vulkan gegenüber Direct X und jetzt ist sogar Proton in der Lage ohne nennenswerte Abstriche DX 12 zu übersetzen. In den letzten 5 Jahren ist richtig viel passiert. Das weis auch Microsoft. Die Luft wird dünner. Sehr schön 🙂
Poettering konnte die Dinge, die er für den allgemeinen GNU/Linux-Desktop umgesetzt oder zumindest entworfen hat – meiner Ansicht nach – nur oder zumindest zum Teil nur mit RH und respektive Fedora als bedeutende Distro im Rücken umsetzen, oder liege ich da falsch? Ich wage mal zu hinterfragen ob sich die Lage für MS mit bedeutenden FLOSS-Entwicklern im Rücken wirklich dauerhaft verschlechtert, wie manche es glauben (wollen). Die Entwicklungen von systemd betreffen alle relevanten Distros. Hier mal kurz angemerkt: ich bin nicht per se ein Feind von systemd, die Kontrolloptionen beispielsweise erscheinen mir teils doch sehr logisch und durchdacht. Ich habe vor allem Bedenken, wenn Unternehmen wie MS derartig wichtige Software durch die Anstellung der entwickler de facto mitkontrollieren. MS ist, gerade wenn man sich den Open Letter to Hobbyists anschaut, der historische Gegner freier Software und kann als Mitbegründer des Veröffentlichungsstils proprietärer Software gesehen werden. Die Motivation? Profit und die kleinste Violine der Welt. Ob diese Beweggründe bei Poetterings Entscheidungsfindung mit reingespielt hat? Ich weiß es nicht.
Das Lennart nun bei MS arbeitet ändert nichts an der Weiterentwicklung von systemd. Diese Technologie steht unter der GPL. So wie ich das verstehe kann MS nichts für sich behalten. Der Quellcode ist immer einsehbar und es gibt auch kein Copyrightanspruch auf irgentwas am Code. Es ändert sich also praktisch nichts, ausser wenn Lennart persönlich nichts mehr dazu beitragen würde, wäre das ein Verlust, aber er ist auch nicht alleine an systemd beteiligt. Da arbeiten viele dran.
Sein Einkommen dürfte kräftig gestiegen sein. Hätten wir alle genauso gemacht. Gute Entscheidung.