Wayland

Warum Wayland mehr Verbreitung braucht

2024 wird das Jahr, in dem Wayland den Linux-Desktop übernimmt, daran gibt es kaum einen Zweifel. Doch wie gut kann Wayland den althergebrachten X.Org-Server heute ersetzen?

Wayland will nicht 100 % kompatibel sein

Ersetzen ist hierbei das operative Wort. Wayland ist nämlich kein drop-in replacement für X11. Es hat auch nie jemand behauptet, Wayland werde über alle Funktionen verfügen, die X11 bietet. Im Gegenteil, es wurden bei der Konzeptionierung bewusst Funktionen ausgeklammert, die vom Sicherheitsstandpunkt her heute nicht mehr zu rechtfertigen sind. Immerhin leben wir diesbezüglich in einer anderen Welt als vor 40 Jahren, als X11 das Licht der IT-Welt erblickte.

Funktionen wie etwa ein Druckserver waren damals ein Teil von X11, obwohl sie in die damals nicht vorhandene Desktop-Umgebung gehören. Das Gesamtkonzept von X11-Client und -Server war den damaligen Verhältnissen geschuldet. In Zeiten von Unix lief der Server auf einem physischen Terminal, während der Client auf dem Mainframe lief.

Viel Kritik

Es gab eine Menge Kritik an Wayland im letzten Jahr. Die macht sich daran fest, dass an einigen Ecken noch Funktionen fehlen. Und das stimmt auch, obwohl es sich dabei mittlerweile hauptsächlich um Corner Cases handelt. Doch es gibt auch Bereiche, die eher schlecht unterstützt sind. So hörte man von Kreativen, dass sie Wayland bisher nicht nutzen können, weil OBS Studio unter Wayland nur über Umwege zur Zusammenarbeit zu überreden ist. Das sollte aber mit diesem Commit bald ebenfalls der Vergangenheit angehören.

Dass Dinge wie Screen-Recording oder Video-Produktion so lange benötigen, liegt daran, dass das Wayland-Protokoll an sich auf Grundfunktionen beschränkt ist und alles drumherum in zusätzlichen Protokollen festgelegt werden muss.

Nicht hilfreich

Besonders eine Kritik machte im letzten Jahr die Runde. Die Rede ist von Wayland breaks everything! von probonopd. Dahinter steckt kein Unbekannter, sondern der Autor von AppImage und Beitragender in vielen weiteren Projekten. Der Artikel ist in meinen Augen bewusst provokativ und plakativ und schießt deshalb meiner Meinung nach in vielen Punkten übers Ziel hinaus. Zudem ist der Autor offensichtlich nicht gut auf Wayland, Red Hat und GNOME oder Dinge wie Portals und PipeWire zu sprechen. Der Artikel stammt bereits aus dem Jahr 2020 und man muss probonopd zugutehalten, dass er den Artikel über 100 Mal redigiert hat, wenn ein Kritikpunkt nicht mehr zutreffend war.

Schon eher hilfreich

Kürzlich hat eben dieser probonopd auf GitHub ein Repository erstellt, um fehlende Wayland-Protokolle für Funktionen zu sammeln und zu erstellen, die in X11 verfügbar sind, aber nicht Teil des offiziellen Wayland-Protokolls sind. Er erwartet gar nicht, dass die erstellten Protokolle alle offiziell übernommen werden, hofft aber, dass dies für einige zutreffen wird.

Nate Graham’s Kritik an der Kritik

Dieses Repository nahm KDE-Entwickler Nate Graham kürzlich zum Anlass einer Replik, indem er probonopd einen falschen, X11-zentrierten Blickwinkel vorwirft. Die ganze Debatte pro und kontra Wayland war bisher recht abstrakt und für den Endanwender schwer nachvollziehbar, was mit einiger Verunsicherung einherging. Nate begrüßt die weitere Verbreitung von Wayland auch in KDE Plasma 6, da jetzt die Anwender berichten können, was ihnen effektiv bei Wayland fehlt. Das bereitet auch der Verunsicherung ein Ende.

Raus damit

Ich gebe Nate vollkommen recht, Wayland muss jetzt raus zu den Anwendern, damit dann in einer letzten Anstrengung die fehlenden Stücke ergänzt werden können. Ob man X11 gleich ganz entfernen muss wie bei Fedora geplant, wage ich zu bezweifeln. Damit kann man von mir aus ruhig noch ein Jahr warten. Hier bei mir läuft Wayland schon seit mindestens sechs Monaten auf unterschiedlichen Maschinen und mir fehlt eigentlich nichts. Ich bin nicht der Maßstab, aber das ändert nichts daran, dass es raus muss. Jetzt.

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