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Debian: Wahl des Projektleiters 2023

Wie jedes Jahr zu Frühlingsbeginn steht auch in diesem Jahr wieder die Wahl des Debian-Projektleiters (DPL) an. Es gab schon spannendere DPL-Wahlen bei Debian als in diesem Jahr. Zur Wahl steht nämlich genau ein Kandidat: der amtierende Projektleiter Jonathan Carter, der sich um eine vierte Amtszeit bewirbt.

Das kann zweierlei bedeuten: entweder es will keiner den nicht ganz einfachen Job machen oder Carter hat ihn in den vergangenen drei Jahren so gut gemacht, dass man ihn gern ein viertes Mal sehen würde. Ich gehe mal von letzterem aus.

Carters Wahlplattform

Carter hat seine Wahlplattform bereits ins Netz gestellt, in der er erläutert, was er in einer weiteren Amtszeit umzusetzen gedenkt. Er schreibt, Debian über drei Jahre durch eine Pandemie zu führen, sei nicht arm an Herausforderungen gewesen. In diese Zeit fiel auch das Release von Debian11 »Bullseye«, vier General Resolutions klärten strittige Fragen und 64 offizielle Entwickler stießen neu zum Projekt hinzu.

Carters Ziel während seiner ersten Amtszeit war, dem Projekt ein Gefühl von Stabilität und Normalität zu geben, nachdem in den Jahren zuvor einige umstrittene Themen tiefe Wunden gerissen hatte. Stabilität sieht Carter als Voraussetzung für Wachstum und er glaubt, dass Debian jetzt bereit ist, zu wachsen und sich zu etwas Größerem zu entfalten.

Referenz-Distribution

In den vergangenen Jahren wurde Debian mehr und mehr als eine gute Basis für andere Distributionen gesehen, quasi eine Referenz-Distribution. Carter glaubt, dass die Probleme, die der Popularität von Debian im Wege stehen, behoben werden können, und dass der nächste Zyklus nach der Veröffentlichung von Debian 12 ein idealer Zeitpunkt ist, um die härtesten Schritte in diese Richtung zu unternehmen, die Debian jemals gemacht hat.

Als einen wichtigen Schritt dorthin sieht er die bereits getroffene Entscheidung, unfreie Firmware auf den Installationsmedien von Debian zuzulassen. Er wünscht sich darüber hinaus, gemeinsam die wichtigsten Probleme in Debian identifizieren, die den Benutzern Schwierigkeiten bereiten, mögliche Lösungen dafür finden, und wenn es plausibel erscheint, diese zu einem Veröffentlichungsziel machen.

Probleme identifizieren

Er führt einige Punkte auf, die dringend angegangen werden sollten. Darunter ist eine Verkürzung der Wartezeit in der NEW Queue. Dabei handelt es sich um eine Liste von neuen oder veränderten Paketen, die einer Entscheidung bedürfen, ob sie den Debian-Richtlinien entsprechen und somit im Archiv aufgenommen werden können. Dabei geht es oft um Copyright- und Lizenzfragen. Die Wartezeit in dieser Liste betrug in der Vergangenheit oft viele Monate und ist auch heute noch zu lang und verzögert die Veröffentlichung von Anwendungen oft über Gebühr.

Weitere Punkte sind, lokale Gruppen mehr zu unterstützen, ein Unterfangen, dass wegen der Pandemie eingeschlafen war, sowie technische Änderungen, wie das automatische Fortführen von dpkg nach Hängern, ohne dass sudo dpkg --configure -a ausgeführt werden muss, um fortzufahren und die automatische Ausführung von fsck bei Problemen mit dem Dateisystem.

Carter sieht wohl einer sicheren Wahl entgegen, lediglich die Wahlbeteiligung und das Maß an Zustimmung oder Ablehnung gibt zu erkennen, wie sein Stand bei den Entwicklern ist. Die Wahlkampagne, während der Carter Fragen zu seiner Plattform beantwortet, geht vom 11. bis 31. März. Die Wahlperiode reicht anschließend vom 1. bis 14. April.

Stressiger Nebenjob

Projektleiter bei Debian ist ein stressiger Job mit vielen Aufgaben und nicht allzu viel Verfügungsgewalt. Man kann den Job ein wenig mit dem unseres Bundespräsidenten vergleichen. Die Aufgaben bewegen sich zwischen Repräsentation nach außen und Verwaltungsaufgaben im Inneren. Hinzu kommt die Mediation bei den nicht seltenen hitzigen Disputen im Projekt. Da der Job meist neben der beruflichen Tätigkeit ausgeübt wird, muss dies mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden, der eine gewisse Freistellung gewähren kann.

Meist nur ein Jahr

Die meisten gewählten Kandidaten treten nach ihrem ersten Turnus nicht zur Wiederwahl an, einige streben eine zweite Amtszeit an und gewinnen die Wahl dann meist auch. Dass ein Kandidat drei Amtszeiten absolviert, kam erst zweimal vor. Der Italiener Stefano Zacchiroli bekleidete das Amt mit viel Schwung von 2010 bis 2013. Jonathan Carter wird vermutlich der erste DPL, der dem Projekt vier Jahre in dieser Rolle dient. Eine Liste aller bisherigen Debian Projektleiter findet sich in der Wikipedia.

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