Die Marke Furi Labs startete 2020 ein Open-Source-Community-Projekt. Die Marke gehört der Website zufolge der in Hongkong registrierten Tech Brand Limited. Deren CEO Bardia Moshiri ist vielleicht einigen auch aus den Droidian Projects bekannt. Der Umstand, dass er zeitweise für Volla gearbeitet hat, erklärt auch, wie es dazu kam, dass das Gigaset GX6 als Basis für das FLX1 dient. Von weiteren Kontakten zu H. Dr. Wurtzer und Volla berichtet dieser Blog Beitrag.
Ich habe das Gerät von Lioh Möller erworben, sie hat mir auch erspart, mich damit zu befassen, dass das Ding ab Werk gar keine Updates angezeigt hat und apt update
einen Keyring-Fehler in der Konsole meldete. Ihr half ein Blick in das Furilabs Forum: Manuell das Keyring-Paket aktualisieren und dann ging auch apt update && apt upgrade
.
Hier könnt Ihr Liohs Produktvorstellung auf YouTube ansehen.
Hardware
Das Gerät wurde für Android konzipiert, benötigt also libhybris und Halium und kann nicht mit einem Mainline Kernel betrieben werden. Auf die Hardware-Spezifikationen möchte ich nur in einigen Punkten näher eingehen.
Gemessen an meinem bisherigen täglichen Begleiter, einem Sony Xperia 10 II mit SailfishOS, ist das schon ein ordentlicher Backstein von knapp 280 Gramm. Das 6,6-Zoll große Display mit einer Pixeldichte von 392 ppi und beruhigenden 120 Hz kommt mir entgegen. Leider ist es an sonnigen Tagen bei Weitem nicht hell genug. Der große, ohne Werkzeug wechselbare und Wireless-Charging-fähige 5.000 mAh Akku trägt zur Alltagstauglichkeit bei und sorgt dafür, dass man gut über den Tag kommt, daher nehme ich das hohe Gewicht in Kauf.
Da die Hardware für eine MIL-STD-810H + IP68 Zertifizierung konzipiert wurde, ist sie staub- und wassergeschützt und das Gehäuse recht robust, daher lässt sich der Deckel auch schwer entfernen.
Hier noch ein paar Spezifikationen: 2,4 GHz Octa-Core-Prozessor MediaTek Dimensity 900 5G, 6 GB RAM und 128 GB interner Speicher, flaches Dual-Kamera-System mit Dual-LED-Blitz: 50 MP Weitwinkel mit optischem Bildstabilisator (OIS) + 2 MP Makro, 16-MP-Frontkamera, Wi-Fi 6, Bluetooth 5.2 und NFCWi-Fi 6, Bluetooth 5.2 und NFC.
Betriebssystem
Das Besondere an diesem Produkt ist jedoch die Software und das beschränkt sich nicht nur auf das Betriebssystem FuriOS, einem Droidian Fork der auf Debian 13 Trixie, dem nächsten Debian Stable Release basiert. Als Benutzeroberfläche GNOME Phosh auf Wayland zum Einsatz. Die Entwicklung vom Clone zum Fork (mit Version 13.0.0 im Juni 2024) und die Entwicklung seither lassen sich im Change Log des Betriebssystems nachvollziehen.
Das OS und Apps erhalten ständig Updates, was ich auf von Sailfish OS und Ubuntu Touch nicht gewohnt bin. Wie hoch der Reifegrad dieser Updates ist, kann ich nicht belastbar sagen, mir ist bislang noch nicht aufgefallen, dass ich mir mit einem Update neue Probleme eingefangen habe.
Ich erhielt das Gerät mit FuriOS 13.0.7, mit welcher Version das Gerät im Auslieferungszustand angekommen war, konnte Lioh nicht mehr sagen. Da das Recovery-Image des Geräts, das aus dem ersten Batch stammt, der ausgeliefert wurde, in einem schlechten Zustand ist, habe ich erst einmal darauf verzichtet, bis ich herausgefunden habe, wie man das aktualisiert. Am 9. März erschien Version 13.0.8, die ich gleich installiert habe.
Die Kernel-Version ist 4.19.325 und wird zwar seit dem Jahreswechsel nicht mehr von der Foundation gepflegt, wird jedoch von der Civil Infrastructure Platform als SLTS bis 2029 unterstützt, sodass alle Schwachstellen gepatcht werden. Der Hersteller verspricht, den Kernel bis dahin auf eine viel neuere Versionen zu aktualisieren.
Die Software stammt wie Teile des Posh UI aus dem GNOME Fundus. Daher stammt auch das Software-Store-System, das seit dem jüngsten Update mittels Plug-in auch das Installieren und Aktualisieren von Android-Apps erlaubt. Damit sind wir auch schon beim heiklen Thema…
Android-Apps
Gehen wir einfach mal davon aus, dass wir diese installieren möchten und dabei Wert auf eine möglichst übergangslose Integration dieser „Gäste“ in das OS legen. Verglichen mit einem Volla Phone erster Generation, mit aktuellstem (stable) OS und frisch aktualisiertem Waydroid spielt das FuriPhone in einer ganz anderen Liga. Die Apps verhalten sich wie native, es muss nicht erst ein Container mit dem Lineage-Image gestartet werden. Der Container startet mit dem Gerät, wenn man das unter Einstellungen / Android mit einem Schieberegler so hinterlegt hat. In diesem Menü kann man noch viele andere Einstellungen vornehmen, unter anderem Zugang zu NFC oder das Durchschleifen der Benachrichtigungen. Ich war überzeugt, auch einen Menüpunkt für MicroG mit Schiebereglern gesehen zu haben, aber den habe ich zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Artikels nicht mehr gefunden.
MicroG Services und Companion sind installiert. Aus diesem Menü kann man auch direkt APKs installieren oder in den mitgelieferten Store (F-Droid) wechseln. Das Image basiert auf Lineage 20 vom Februar 2025, also Android 13. Ein bekannter Bug ist das Deinstallieren von Android-Apps, hier blieb in meinem Fall ein generisches App-Icon mit Ausrufezeichen im App Grid bestehen. Bei der App handelte es sich um Wahoo Elemnt, die App für meinen Fahrradcomputer. Jemand schrieb, dass auch die Android-Apps auf Bluetooth zugreifen könnten, was ich zwar nicht glaubte, aber dennoch ausprobiert habe. Am Ende habe ich die App wieder deinstalliert, weil es wie befürchtet nicht funktioniert hat.
Die Benachrichtigungen von Android-Apps werden angezeigt, der Absprung in die Nachricht funktioniert. Ob dazu die Android-App, wie bei Sailfish OS laufen muss, kann ich aktuell nicht sagen.
Native Apps
Linux Apps können entweder aus dem GNOME Software Repository oder von flathub.org installiert werden. Positiv aufgefallen sind mir die CalDAV Integration von Kalender und Kontakten, die sich auch gut mit Calls der GNOME Telefon-Anwendung verträgt. Diese ist leider immer noch zu langsam und gibt nach dem Antippen kein Feedback, dass sie den Auftrag angenommen hat und z. B. daran arbeitet, einen Anruf herzustellen. Sonst funktioniert sie einwandfrei und ist aus meiner Sicht angenehm zu bedienen.
Über diesen Weg kommen allerdings auch Apps auf das Gerät, die nicht für den Einsatz auf Smartphones (oder Tablets) optimiert sind. Das gilt auch für den vorinstallierten Firefox-Browser, der die Sprache nicht von der Systemsprache übernimmt, die der Anwender gewählt hat. Deutsch ist gar nicht installiert und über das Touch UI ist es nicht möglich, diese Sprache zur Nachinstallation zu wählen. Sonst ist der Browser aber gut bedienbar!
Mit der vorinstallierten GNOME Karten-App komme ich gar nicht zurecht und laut Community läuft Pure Maps bedauerlicherweise nicht stabil. Ich habe mal Here (Android) installiert, das scheint zu funktionieren.
Das FuriPhoneFLX1 ist zurzeit das Gerät mit dem besten Empfang und der besten Sprachqualität meiner Sammlung. Die Kamera-App ist zu spartanisch und lässt einiges vermissen, macht aber mit der Hardware gute Bilder. Für mich ein Fortschritt, da ich mich seit meinem Abschied von Android vor einigen Jahren mit bescheidenen Ergebnissen zufriedengeben musste.
Ein ausgefeiltes Sandbox- und Rechteverwaltungssystem, wie z.B. Sailjail konnte ich nicht feststellen, aber da fehlt es mir auch an Know-how. An die Oberfläche tritt es jedenfalls nicht, und eine selektive Steuerung wie in Android ist nicht möglich.
Verschlüsselung
Aus meiner Sicht absolut unverzichtbar für einen täglichen Begleiter und ein Grund dafür, dass beispielsweise Ubuntu Touch bislang für mich nicht infrage kam. Die Verschlüsselung in FuriOS kann nachträglich über das Einstellungsmenü aktiviert werden, rechnet dann eine Weile und fragt dann beim nächsten Start das zuvor festgelegte Passwort ab.
Das UI für die Passworteingabe beim Systemstart im Look der 90er Jahre ist zwar nicht besonders hübsch, aber erfüllt seinen Zweck.
Konnektivität
Die mobile Datenverbindung funktioniert zuverlässig, auch die Gespräche über 4G, kurz VoLTE funktionieren im Telekom-Netz in Deutschland hervorragend, die Sprachqualität ist die beste auf allen meinen Geräten. Bluetooth ist ein Kapitel für sich, die moderne Hardware nach 5.2. Standard lässt sich mit FuriOS nutzen, so hergestellte Verbindungen lassen sich teilweise auch mit Android nutzen. Audiostreaming von einer Android-App ist grundsätzlich möglich. Meinen Fahrradcomputer konnte ich über die zugehörige App allerdings nicht verbinden. Das Wi-Fi funktioniert oberflächlich betrachtet unauffällig, das habe ich nicht eingehender untersucht. Für NFC habe ich keinen Anwendungsfall.
Konvergenz
Mit Tastatur und Maus an einem Bildschirm verwenden, lässt sich das Gerät bisher nicht. Allerdings ist das bereits in Planung und soll laut Bardia eventuell schon mit der nächsten Version des Betriebssystems kommen.
Was noch nicht ganz passt
Eine automatische Audioausgabe an zuletzt verbundene Ausgabegeräte scheint es nicht zu geben, weder Kopfhörer noch Bluetooth-Lautsprecher, Headsets geben automatisch nach Herstellung der Verbindung den Ton aus. Der Anwender muss umständlich in den Einstellungen die Audioausgabe festlegen. Immerhin fällt das Gerät nach dem Trennen der Verbindung wieder auf den Standard zurück. Die Headunit meines Autos erkennt zwar, dass ein Telefon verbunden ist und zeigt das Menü zum Wählen an, es werden jedoch keine Kontaktinformationen angezeigt. Micro und Ausgabegerät müssen jedes Mal neu zugeordnet werden, wenn das Gerät verbunden wird, zudem ist die Verbindung sehr instabil.
Gelegentlich habe ich Keyring Fehler nach dem Start, das hängt eventuell mit der aktivierten Verschlüsselung zusammen.
Verlust der Datenverbindung beim Wechsel zwischen mobilen Daten und WLAN, da hilft ggf. das Aus- und Einschalten der über die Schnelleinstellungen. Übrigens fehlt dort in Posh die Flugmodus-Option, die versteckt sich im Submenü der WLAN-Einstellungen.
Gelegentlich verschwindet die Tastatur, und ich habe bisher nicht herausgefunden, wie ich sie wieder auf den Schirm bekomme. Hier scheint es ein Problem mit der Implementierung des Phosh Onscreen Keyboard Interface zu geben.
Kürzlich war nach dem Abruf meiner Voicebox das UI verschwunden, sodass ich den Anruf nicht beenden konnte.
Die Bildschirmrotation klappt nicht immer, eine Wiederholung der Rotation führt meistens zum Erfolg.
In Android-Apps kommt es im Querformat dazu, dass nur der halbe Schirm genutzt wird.
Die Implementierung des Shared Folder für den Austausch mit Android Apps ist nicht ganz rund, das funktioniert bei Sailfish OS besser! Neben F-Droid ist nichts vorinstalliert, kein Android Dateimanager, keine Galerie.
Nach der Deinstallation von Android-Apps bleibt ein Icon auf der Benutzeroberfläche bestehen.
Vorläufiges Fazit
Bis auf Halium entspricht das Produkt schon jetzt fast dem Smartphone, das ich mir immer gewünscht habe. Als GNOME-Nutzer am PC fühle ich mich nun mit Phosh auch mobil wie Zuhause. Die Kinderkrankheiten sind für mich im tolerierbaren Bereich, da bin ich in den vergangenen Jahren sehr kompromissbereit geworden. Mein bis vor Kurzem genutztes Sailfish OS Gerät nutzte einen 4.14 Kernel und mein Volla Phone erster Generation auf 4.4. Damit liegt das FLX1 eindeutig vorne.
Definitiv ist das Gerät nur für versierte und geduldige Kunden geeignet, vom Reifegrad für den Massenmarkt ist es ein gutes Stück entfernt. Dennoch bin ich begeistert, was die FOSS-Community dank Projekten wie Debian, GNOME, Drodian, Ubuntu Touch, Sailfish OS aber auch kommerziellen Ansätzen wie PinePhone oder Librem 5 erreicht hat. Das FuriPhone FLX1 ist jetzt mein ständiger Begleiter und primäres Gerät.