Die kürzliche Entscheidung von Red Hat, die Quellen von RHEL nur noch zahlenden Kunden zugänglich zu machen, stellte Distributionen wie Rocky Linux, AlmaLinux und Oracle Linux vor existenzielle Probleme. Ihnen wurde damit der legale Weg, bitgenaue Kopien von RHEL zu erstellen, verwehrt.
Abwägung der Alternativen
Oracle hat sich bisher noch nicht dazu geäußert, wie es mit Oracle Linux weitergeht. Rocky Linux sucht nach alternativen Wegen wie etwa UBI_Container und Cloud-Instanzen, um weiterhin legal RHEL-Klone veröffentlichen zu können. Die Entwickler von AlmaLinux äußerten sich zurückhaltender und wollten in Ruhe mit der Community nach neuen Wegen suchen. Zunächst wurden lediglich Security Updates für bereits veröffentlichte Versionen zugesagt, die aus CentOS Stream gewonnen werden können.
Nicht mehr 1:1 kompatibel
Jetzt gab der Vorstand der AlmaLinux OS Foundation bekannt, nicht mehr darauf abzielen zu wollen, eine 1:1 Kompatibilität mit RHEL zu bieten und strebt künftig an, lediglich ABI-kompatibel mit Red Hat Enterprise Linux zu sein. ABI-Kompatibilität bedeutet in dem Fall, dass AlmaLinux dafür Sorge trägt, dass Anwendungen, die für RHEL oder RHEL-Klone entwickelt wurden, problemlos auf AlmaLinux laufen können. Welche Quellen dazu benutzt werden sollen, bleibt derzeit offen.
Wir werden uns weiterhin bemühen, eine langfristige Linux-Distribution für Unternehmen zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse unserer Community abgestimmt und ABI-kompatibel mit RHEL ist, soweit dies möglich ist, und so, dass Software, die auf RHEL läuft, auch auf AlmaLinux läuft.
AlmaLinux OS Foundation, Vorstandssitzung, Juli 2023
Mehr Freiraum
Für die Anwender soll sich dabei möglichst wenig ändern. Die potenziell größte Auswirkung der Änderung ist, dass die nicht mehr vorhandene 1:1 Kompatibilität dazu führt, dass nun auch Fehlerkorrekturen außerhalb des Veröffentlichungszyklus von Red Hat akzeptiert werden können. Während das bedeutet, dass einige AlmaLinux OS Nutzer auf Fehler stoßen könnten, die nicht in Red Hat enthalten sind, können andererseits jetzt auch Patches für Fehler angenommen werden, die noch nicht von den Upstream- oder Downstream-Anbietern akzeptiert wurden.
Für AlmaLinux bedeutet die Entscheidung, nicht mehr »bug-for-bug« kompatibel zu RHEL zu sein, mehr Arbeit, aber auch mehr Freiheit. Diese neuen Möglichkeiten wollen die Entwickler jetzt erforschen. Ich halte den Weg, den AlmaLinux geht, für besser als weiterhin auf der 1:1 Kompatibilität zu RHEL zu bestehen. Wie seht ihr das?