Das Debian-Projekt hat einen neuen Projektleiter gewählt. Die Überschrift ist nicht ganz korrekt, denn neu ist er nicht, der neue alte Projektleiter Jonathan Carter. Die Wahl war diesmal recht einseitig, denn es stand lediglich der jetzt im Amt bestätigte Carter auf dem Stimmzettel. Es gab also nur zwei Wahlmöglichkeiten:
- Jonathan Carter
- Keiner der oben genannten
Komplexes Auszählungsverfahren
Option 1 gewann mit 259 Stimmen, während 15 Stimmen auf Option 2 fielen. Insgesamt wurde 279 Stimmen abgegeben, stimmberechtigt waren 997 offizielle Debian-Entwickler. Das entspricht einer Wahlbeteiligung von knapp 28 %. Entweder sind die Debian-Entwickler wahlmüde oder extrem zufrieden mit der Arbeit von Jonathan Carter in den vergangenen drei Jahren. Ausgezählt wurde die Wahl wie bei Debian üblich nach der Condorcet-Methode. In der statistischen Aufbereitung der Wahl finden sich weitere Informationen dazu.
Vierte Amtsperiode
Carter stellt im Übrigen einen neuen Rekord auf, denn er bekleidet das Amt zum vierten Mal. Während der Kampagne hatte Carter seine Wahlplattform zur Diskussion gestellt, in der er erläutert, was er in einer weiteren Amtszeit umzusetzen gedenkt. Carter hält harte Einschnitte für notwendig, um Debian wieder weg vom Image einer guten Grundlage für Derivate zu führen und dem selbst gestellten Anspruch eines universellen Betriebssystems wieder gerecht zu werden.
Probleme angehen
Als ersten Schritt in diese Richtung sieht er die Entscheidung, unfreie Firmware auf den Debian-Images zuzulassen. Er führt einige weitere Punkte auf, die dringend angegangen werden sollten. Darunter ist eine Verkürzung der Wartezeit in der NEW Queue. Dabei handelt es sich um eine Liste von neuen oder veränderten Paketen, die einer Entscheidung bedürfen, ob sie den Debian-Richtlinien entsprechen und somit im Archiv aufgenommen werden können. Dabei geht es oft um Copyright- und Lizenzfragen. Die Wartezeit in dieser Liste betrug in der Vergangenheit oft viele Monate und ist auch heute noch zu lang und verzögert die Veröffentlichung von Anwendungen oft über Gebühr.
Weitere Punkte sind, lokale Gruppen mehr zu unterstützen, ein Unterfangen, dass wegen der Pandemie eingeschlafen war, sowie technische Änderungen, wie das automatische Fortführen von dpkg
nach Hängern, ohne dass sudo dpkg --configure -a
ausgeführt werden muss, um fortzufahren und die automatische Ausführung von fsck
bei Problemen mit dem Dateisystem.
Vielseitiger job
Die Tätigkeit als DPL bei Debian ist ein Job mit vielen Aufgaben und nicht allzu viel Verfügungsgewalt. Man kann die Position ein wenig mit dem unseres Bundespräsidenten vergleichen. Die Aufgaben bewegen sich zwischen Repräsentation nach außen und Verwaltungsaufgaben im Inneren. Hinzu kommt die Mediation bei den nicht seltenen hitzigen Disputen im Projekt. Da der Job meist neben der beruflichen Tätigkeit ausgeübt wird, muss dies mit dem Arbeitgeber abgestimmt werden, der eine gewisse Freistellung gewähren kann.
Der Südafrikaner Carter bringt als Selbstständiger gute Voraussetzungen für die Aufgabe mit, was die verfügbare Zeit angeht. Neben seiner selbstständigen Tätigkeit als Consultant und dem Job als DPL ist er als Maintainer für rund 80 Pakete verantwortlich.