Wir erinnern uns, dass Red Hat im Sommer mitgeteilt hat, dass künftig SRPM-Pakete nicht mehr auf git.centos.org verteilt werden. Man wird ab sofort den Quellcode für RHEL RPMs nur noch über das Kundenportal freigeben.
Diese Nachricht brachte Distributionen wie Rocky Linux und AlmaLinux, die in der Folge der Einstellung von CentOS entstanden waren, in arge Bedrängnis, da es nun nicht mehr einfach möglich schien, aus dem RHEL-Quellcode ein Bit-genaues Abbild von RHEL zu erstellen. Auch Oracle sieht sich gezwungen, andere Wege zu gehen.
Unterschiedliche Ansätze
In der Folge entschied Rocky Linux, verschiedene andere Quellen anzuzapfen, um eine RHEL-kompatible Distribution zu erstellen. Zudem verkündete SUSE, einen Klon von RHEL erstellen zu wollen. Obwohl SUSE bisher nicht in diesem Bereich tätig war, möchte man zum Erhalt der Software-Freiheit 10 Millionen US-Dollar ausgeben, um einen Klon von RHEL für alle zugänglich zu machen. Im August gründeten SUSE, Oracle und CIQ, die Firma hinter Rocky Linux, die Open Enterprise Linux Association (OpenELA). Ziel der Vereinigung ist es, »die Entwicklung von Distributionen, die mit Red Hat Enterprise Linux (RHEL) kompatibel sind, durch die Bereitstellung von offenem und freiem Enterprise Linux-Quellcode zu fördern.«
Was macht Alma?
Alma Linux dagegen hat bereits im Juli entschieden, nicht weiter das Ziel eines Bit-genauen Abbilds von RHEL anzustreben. In einer Vorstandssitzung wurde beschlossen:
Wir werden uns weiterhin bemühen, eine langfristige Linux-Distribution für Unternehmen zu entwickeln, die auf die Bedürfnisse unserer Community abgestimmt und ABI-kompatibel mit RHEL ist, soweit dies möglich ist, und so, dass Software, die auf RHEL läuft, auch auf AlmaLinux läuft.
AlmaLinux OS Foundation, Vorstandssitzung, Juli 2023
All Things Open 2023
Während der All Things Open 2023 Konferenz vom 15. -17. Oktober in Rayleigh, North Carolina erklärte Alma-Vorstand benny Vasquez, wie das bewerkstelligt werden soll. Ein Großteil des dazu nötigen Codes soll aus CentOS Stream stammen, dem Nachfolger von CentOS. RHEL basiert zum größten Teil auf Stream, mit zusätzlichem Code von Fedora und dem Red Hat Universal Base Image.
Dabei ist Stream kein stehendes Ziel, sondern ein Rolling-Release, das in der Mitte zwischen der Upstream-Entwicklung von Fedora Linux und der Downstream-Entwicklung von Red Hat steht. Das erleichtert die Aufgabe von Alma Linux nicht unbedingt, denn ein Teil der Pakete benötigt manuelles Patchen.
Nicht nur Nachteile
Ein Problem sind Red Hats Kernel-Updates, die Alma nicht nutzen kann, ohne Red Hats Lizenz zu verletzen. Also wollen die Alma-Entwickler die Sicherheits-Patches aus diversen anderen Quellen beziehen. Vasquez sieht trotz der zusätzlichen Arbeit auch Vorteile durch den Verzicht auf die 1:1-Kompatibilität. So könne man Upstream-Security- Fixes oft schneller verteilen als Red Hat selbst. Zudem ist Alma nun in der Lage, eigene Funktionalität umzusetzen.
Dazu wurden zwei neue Repositories eingeführt, von denen Synergy dazu dient, Anwendungen, die von der AlmaLinux-Community erstellt werden, aber weder in EPEL noch in RHEL verfügbar sind, zu beherbergen. Entsprechende Pakete werden wieder aus dem Synergy-Repository entfernt, sollten sie in EPEL oder RHEL aufgenommen werden.
Vasquez verkündete abschließend, dass AlmaLinux daran arbeitet, die Beta-Versionen von AlmaLinux 8.9 und 9.3 kurz nach dem Erscheinen von RHEL 8.9 und 9.3 zu veröffentlichen.