Das Sommerloch mit der üblichen Nachrichtenflaute hat bisher keine Chance gegen die Ereignisse der vergangenen Wochen. Zunächst macht Red Hat sich unbeliebt und den Distributionen AlmaLinux, Rocky Linux und Oracle Linux das Leben schwer. Nicht nur das, denn nun soll Fedora Telemetrie erhalten, was ebenfalls für viele Diskussionen in der Community sorgt. Rocky Linux sucht neue Wege, um weiterhin ein Bit-kompatibles RHEL anbieten zu können, AlmaLinux hält sich eher bedeckt, wie auch Oracle. Bis gestern …
Hüter der Freiheit?
In einem Beitrag auf der Webseite von Oracle stellt sich der Konzern als Hüter der Freiheit und Bewahrer von Linux dar. Der RHEL-Nachbau Oracle Linux soll fortgeführt werden und Oracle verspricht, die Quellen und die Binärdateien frei verfügbar zu halten. Zum Schluss folgt noch ein ironischer Seitenhieb, indem Oracle Red Hat vorschlägt, künftig doch einen Nachbau von Oracle Linux anzubieten.
Wer die Geschichte von Oracle unter anderem um die Übernahme von Sun und die spätere gerichtliche Auseinandersetzung mit Google um den Nachbau der Java-APIs erinnert und das aggressive Geschäftsgebaren des Unternehmens kennt, wird sich über die Dreistigkeit und den Zynismus in Oracles Beitrag kaum wundern. Ich sehe regelrecht vor mir, wie sich Larry Ellison ob der Selbstzerstörung von Red Hat ins Fäustchen lacht.
SUSE: Freiheit von Anbieterbindung
Damit war der gestrige Tag in dieser Hinsicht nachrichtentechnisch aber noch nicht beendet. Auftritt SUSE. Nochmals wird die Freiheit hochgehalten. SUSE wirft seine Marktmacht in den Ring und verspricht, die Wahlfreiheit bei Enterprise Linux durch einen Fork des öffentlich verfügbaren RHEL-Codes mit einer Investition von über 10 Millionen Dollar in den nächsten Jahren zu bewahren. Die resultierende Distribution soll ohne Einschränkungen verfügbar sein. Damit gesellt sich SUSE als vierter Anbieter von RHEL-Nachbauten zu AlmaLinux, Rocky Linux und Oracle hinzu.
Einladung an die Community
Diese gemeinsame Anstrengung zeigt das tief verwurzelte Engagement von SUSE für die Förderung von Innovationen und die Entwicklung durch die Community und unterstreicht die grundlegenden Werte von Open-Source-Software. Wir laden die Community ein, sich aktiv an der Gestaltung der Zukunft dieser wichtigen Software zu beteiligen und mitzuarbeiten.
Dr. Thomas Di Giacomo, Vorstand für Technologie und Produkte, SUSE
SLE und openSUSE weiter wie gehabt
Das Projekt soll in eine Open Source-Stiftung eingebracht werden, um den freien Zugang zum Quellcode zu gewährleisten. Zudem sei SUSE bestrebt, so die Ankündigung, mit der Open-Source-Community zusammenzuarbeiten, um eine langfristige, dauerhaft kompatible Alternative für RHEL- und CentOS-Benutzer zu entwickeln. Das könnte bedeuten, dass kleine Anbieter wie AlmaLinux und Rocky Linux von SUSEs Engagement als größerem Unternehmen profitieren könnten. SUSEs bisherige Angebote wie SUSE Linux Enterprise (SLE) und openSUSE sollen von dem neuen Unterfangen unberührt bleiben.
Gregory Kurtzer, der Gründer von Rocky Linux, äußerte sich positiv über SUSEs Bestrebungen und freut sich auf eine Zusammenarbeit zur Förderung eines offenen Linux-Standards für Unternehmen. Tja, liebes Red Hat, Taten haben Folgen. Ihr seid jetzt verdientermaßen und selbst verschuldet auf der Verliererstraße. Natürlich handelt SUSE hier nicht altruistisch. Es geht um Marktanteile in Enterprise Computing. Aber der Ton macht halt die Musik.